Alice Littlebird
Peter Hammer Verlag
Gebunden, 237 Seiten
Ab 11 Jahren
Einband: Niklas Schütte
€ 15,00 (D)
erscheint am 3.2.2020
ISBN: 978-3-7795-0632-4
Mit einem Nachwort zum Thema Residential School.
Peter Hammer Verlag
Gebunden, 237 Seiten
Ab 11 Jahren
Einband: Niklas Schütte
€ 15,00 (D)
erscheint am 3.2.2020
ISBN: 978-3-7795-0632-4
Mit einem Nachwort zum Thema Residential School.
Immer wieder strich sie ungläubig durch ihr Haar.
Als Alice Littlebird, ein Mädchen vom Volk der Cree, von ihrer Familie getrennt wird und in die Black Lake Residential School kommt, verliert sie alles. Die Nonnen nehmen ihre Kleider weg und scheren ihr das Haar. Sie darf ihre Sprache nicht sprechen und muss mit Worten, die sie nicht versteht, zu einem Gott beten, den sie nicht kennt. Selbst den Namen nimmt man ihr: Alice Littlebird ist Nr. 47 und nur eines der Kinder, die sich abends in den Schlaf weinen. Ganz leise, denn Weinen ist verboten.
Nicht einmal ihren Bruder Terry, der im Jungentrakt der Schule lebt, darf Alice sehen. Doch damit will sie sich nicht abfinden! Als sie in der rebellischen Shirley und der Köchin Elli zwei Vertraute findet, gelingt es ihr, Terry zu treffen und der hat längst einen Plan ausgeheckt: Er und Alice werden fliehen! Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes …
Alice und Terry sind erfunden, doch die Residential Schools zur Umerziehung der Kinder von Ureinwohnern Kanadas waren allzu lange traurige Realität.
»Komm, schnell!«, flüsterte er und hielt ihr seinen Arm hin.
Sie seufzte erleichtert, als sie sich an ihm festhielt. Halb
sprang sie, halb ließ sie sich fallen. Terry fing sie auf, umarmte
sie nervös und zog sie in die Hocke. Dann zerrte
er an einem Brett, das halb über der Grube lag – so lange,
bis nur noch ein schmaler Streifen Himmel mit ein paar
Sternen zu erkennen war.
»Hat dich jemand gesehen?«
Zögernd schüttelte sie den Kopf, dann überlegte sie. Ihr fiel
das Mädchen ein, aber die Kleine hatte wahrscheinlich gar
nicht verstanden, dass Alice abgehauen war. Sie konnte es
ja selbst noch kaum glauben.
»Niemand«, flüsterte sie. »Alles okay.«
»Bist du sicher?«
»Ja. Ich denke schon.« Auf einmal sah sie die Kleine vor sich,
die weinend nach der Puppe suchte und in ihrer Verzweiflung
alle anderen weckte. Alice holte tief Luft.
Terry schien zu spüren, was mit ihr los war. »Wir müssen
ruhig bleiben. Keiner weiß, dass wir hier sind«, murmelte
er.
Alice wurde plötzlich ein bisschen übel, und sie schob ihren
Arm unter den Arm ihres Bruders.
»Alles in Ordnung?«, fragte er besorgt. »Du zitterst ja.«
Das war ihr gar nicht aufgefallen. Sie versuchte damit aufzuhören.
»Mir geht’s gut. Was machen wir denn nun?« Ihre Frage
kam ihr komisch vor.
Da hockten sie beide, Bruder und Schwester, in einem offenen
Grab auf dem Friedhof, mitten in der Nacht, in der
lehmigen Erde.
»Auferstehen, was sonst.«
Wie konnte er jetzt Witze machen?
»Wir warten auf die Wolken«, fügte er dann ernst hinzu.
»Sobald sie den Mond verdecken, machen wir uns auf den
Weg.« Seine Stimme klang ruhig, als würde er nur einen
kleinen Spaziergang planen. Doch Alice nahm die Unruhe
wahr, die hinter diesen Worten steckte.
Gemeinsam kauerten sie in dem Erdloch und starrten
durch den Spalt zum Himmel hinauf. Sie redeten nicht.
Sie atmeten und lauschten auf die Geräusche der Nacht.
Aus der Ferne ertönten die Rufe eines Uhus.
Ein Stern blinzelte ihnen zu, und allmählich, ganz sacht,
schob sich eine Wolkendecke über die Sterne und den
Mond.
Terry kippte das Brett beiseite wie eine Tür. Aus einer Ecke
der Grube zog er einen Rucksack hervor. »Bereit?«
Alice nickte.
Terry griff nach ihrer Hand und drückte sie. Und dann
liefen sie los.
Der Wind wehte wieder kräftiger, wirbelte Schnee auf und ließ ihr langes Haar flattern.
„Eine packende Flucht- und Überlebensgeschichte“ Bestenliste „Leselotse", Börsenblatt
„…eine sehr spannend zu lesende Geschichte, die den Atem stocken lässt … Poppes Roman über den gewaltsamen Versuch einer kulturellen Entwurzelung reicht weit über Kanada hinaus. Sie zeigt, was die Identität eines Volkes bedeutet, was es heißt, Menschen ihre Sprache und ihre Geschichte zu rauben und etwas Fremdes als das angeblich bessere überzustülpen. In diesem Geschehen sind Kinder verloren. Junge Leser aber verstehen: Die Zerstörung der Identität eines Menschen ist ein Verbrechen.“ Tagesspiegel
„Grit Poppe hat einen spannenden Abenteuerroman geschrieben mit authentischem Hintergrund. Durch das positive Ende und die empathische Schilderung der Kinder ist das Buch hoffnungsvoll und ermutigend. (…)Ein empfehlenswertes Buch für neugierige Kinder, das Mut macht, sich auf die eigene Stärke zu besinnen.“ Süddeutsche Zeitung
„Alice Littlebird“ ist ein engagiertes und empfehlenswertes Buch für Leser ab 11 oder 12 Jahren, weil es eine geschickte Mischung aus historischem Roman und Abenteuergeschichte ist. Der Jugendroman hat eine Hauptfigur, mit der man mitfühlen kann – gleichzeitig wird alles für die Alterszielgruppe angemessen dargestellt, ohne dass die Schrecken der Residential Schools verschwiegen werden. Grit Poppe ist ein einfühlsames Buch, mit dem man einen Blick über den Tellerrand wirft, gelungen. Doch „Alice Littlebird“ ist noch etwas mehr: nämlich letztendlich auch ein politisches Buch, das einen daran erinnert, dass Kindern und Jugendlichen früher Unrecht angetan wurde, dass das aber durchaus auch noch heute geschieht.“
Ulf Cronenberg, Jugendbuchtipps.de