Mauer des Schweigens – Die Akte Leipzig
Kriminalroman
Ullstein Verlag
464 Seiten
12,99 €
ISBN 9783548069135
Erscheinungsdatum: 02.01.2025
Kriminalroman
Ullstein Verlag
464 Seiten
12,99 €
ISBN 9783548069135
Erscheinungsdatum: 02.01.2025
Die Kreide rieselte in feinem Staub auf ihre frisch geputzten Schuhe, während Ina Reinhardt die Sechser-Malfolge für die dritte Klasse an die Tafel schrieb.
Kalter Wind weht durch das wiedervereinigte Land. Kommissarin Beate Vogt ermittelt gerade im Fall einer spurlos verschwundenen Lehrerin, als sie auf einen Tatort am Leipziger Markt stößt. Ein Toter wird in Auerbachs Keller gefunden, offensichtlich ermordet. Er kann identifiziert werden als Immobilieninvestor aus Bayern, der Häuser in Leipzig aufgekauft und sich damit womöglich Feinde gemacht hat. Gemeinsam mit dem Nürnberger Hauptkommissar Josef Almgruber begibt sich Beate auf Spurensuche. Wer steckt hinter der Tat? War es einer der ehemaligen Arbeiter aus dem VEB, der entlassen wurde? In unruhigen Zeiten suchen Vogt und Almgruber nach der Wahrheit.
Im Schatten des großen Fasses erkannte sie es auf einmal genau: Die Lache, die den Boden bedeckte. Wie eine rote Pfütze.
Beate entdeckte jetzt auch eine Schleifspur, die ihr den Weg zu weisen schien, und folgte ihr. Der Boden kam ihr glitschig vor. Sie musste aufpassen, dass sie nicht auf all dem Blut ausrutschte. Beate zog ihre Waffe, als sie die angelehnte Tür vorsichtig aufschob, die kleiner war als normale Türen. Sie besaß die gleiche Farbe wie die holzgetäfelte Wand und ähnelte einem Sargdeckel. Der Lichtkegel ihrer Taschenlampe fiel auf eine weitere Treppe. Sie wand sich unter ihren Füßen wie eine Schlange. Ein Keller unter dem Keller? Wie tief ging es denn noch hinunter? Die sogenannte Hexenküche war von dort, wo sie stand, nicht einsehbar.
„Herr Holdinger?“, rief sie laut. „Können Sie mich hören? Wenn Sie da unten sind, melden Sie sich bitte.“
Keine Antwort. Kein Laut. Verdammt!
„Beate Vogt, Kripo Leipzig. Ich komme jetzt runter“, erklärte sie trotzdem.
Sie hoffte, dass ihre Stimme sicherer klang, als sie sich fühlte.
Vielleicht war der Mann ohnmächtig? Oder zu schwach, um zu antworten?
Auch die Stufen in die Hexenküche hinab waren glatt, offenbar voller Blut.
Beate zwang sich, langsam zu gehen, vorsichtig, Schritt für Schritt. Ihr dämmerte, dass sie womöglich Spuren eines Tatortes verdarb. Aber in der Situation blieb ihr nichts anderes übrig. Der süßlich-metallische Geruch nahm zu, mischte sich mit der feuchten Kellerluft. In der Hexenküche gab es keine Gemälde mehr, keine hübsch gedeckten Tische, keine Lampen. Nur Finsternis und Stille. Irgendein kastenförmiges Ding stand in der Ecke. Sie konnte nicht erkennen, was das sein sollte. Ein Kamin vielleicht.
Ihre Hand zitterte, als sie den Lichtstrahl der Taschenlampe auf den Boden richtete. Das Unbehagen in ihr wuchs. Sie wusste, dass sie im nächsten Moment auf das Böse treffen würde.
Beate spürte den Wind in ihrem Gesicht, schloss einen Moment die Augen und hörte der Stille zu.