Der erste Satz
Anja wandte den Kopf ganz leicht nach hinten und erhaschte aus den Augenwinkeln einen Blick auf einen ihrer Verfolger.
Inhalt
DDR 1988. Die 14-jährige Anja eckt in der Schule zwar immer mal wieder an, ernsthafte Probleme hat sie aber bisher nicht. Als ihre Mutter einen Ausreiseantrag stellt und öffentlich protestiert, ändert sich Anjas Leben schlagartig. Sie wird in einen Jugendwerkhof, eine Einrichtung der Jugendhilfe, gebracht, ohne dass sie den Grund erfährt oder weiß, was mit ihrer Mutter ist. Anja ist geschockt von den Zuständen im Heim, der Willkür der Erzieher, der Gewalt und dem Drill. Sie will nur eines: fliehen.
Tatsächlich gelingt ihr die Flucht, eine zeitlang kann sie bei Verwandten untertauchen. Doch dann wird sie von der Polizei ertappt und zurückgebracht. Es geht von vorne los: Arbeit, Strafen, Drill und Sport. Und es kommt noch schlimmer: Als Anja eines Tages ausrastet, bringt man sie nach Torgau, in den Geschlossenen Jugendwerkhof.
Dort ist es wie im Gefängnis: Stahltore, Gitter, Stacheldraht und Hunde. Willkür, Demütigungen und Gewalt steigen ins Unermessliche. Kann Anja dieser Hölle entkommen?
Indessen beginnt „draußen“ der Herbst ’89 …
Leseprobe
Der Wagen hielt vor einem grauen Eisentor.
Anja warf einen letzten Blick zurück über die Schulter. Sie wollte das Tor nicht ansehen, das sich öffnete, für sie öffnete. Unendlich langsam, mit einem scharrenden Geräusch; Metall zog über Metall.
Der Wartburg fuhr auf den Hof. Niemand sagte ein Wort.
Anja sah eine hohe Mauer auf der rechten Seite, links das Gebäude mit den vergitterten Fenstern. Vor ihr ein zweites Tor. Wie in Zeitlupe schob sich die graue Metallwand hinter ihr zu. Das war’s also, ja? Sie wurde weggesperrt. In den Knast. Das Wort Hochsicherheitstrakt kam ihr in den Sinn. Es konnte doch nicht sein, dass sie sie in ein Gefängnis steckten!? Ohne ein Urteil? Ohne eine Verhandlung? Ohne einen Richter? Einfach so?
„Wo … wo bin ich?“, stammelte sie.
„Du bist da, wo du hingehörst“, sagte der Erzieher. „Da, wo Leute deines Schlages hingehören.“
Der letzte Satz
Es wird alles anders werden.