Grit Poppe/ Autorin Grit Poppe/ Autorin

Der Hintergrund zum Roman „Weggesperrt“

Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau

GesamtansichtGesamtansicht GJWH

Anjas Geschichte ist eine ausgedachte und die handelnden Personen wurden frei erfunden. Durchgangsheime, Jugendwerkhöfe und der Geschlossene Jugendwerkhof in Torgau existierten allerdings tatsächlich in der DDR. Sie waren Einrichtungen der Jugendhilfe und dienten vor allem dazu unangepasste Kinder und Jugendliche auf Biegen und Brechen umzuerziehen.

Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau existierte von 1964 bis 1989 und war dem Ministerium für Volksbildung und der Ministerin Margot Honecker direkt unterstellt. Häufige Einweisungsgründe waren „Entweichungen“ aus den so genannten offenen Jugendwerkhöfen, aber auch Widerstand gegen die staatlichen Erziehungsmaßnahmen, Schul- und Arbeitsbummelei und Verstöße gegen die werkhofseigene Hausordnung. Das Gebäude des GJWH Torgau war wie ein Gefängnis eingerichtet und gesichert. Durch Freiheitsentzug, Isolation, Zwang, Drill und Strafen sollten die 14- bis 18-Jährigen diszipliniert und zu „sozialistischen Persönlichkeiten“ erzogen werden. Es gab kein juristisches Verfahren und keinen richterlichen Beschluss zur Einweisung. Die Minderjährigen und ihre Eltern konnten sich nicht gegen die staatlichen Maßnahmen wehren. Zu den „beliebtesten“ Strafen der Erzieher gegen ihre „Zöglinge“ gehörten Zwangssport bis zur Erschöpfung, stundenlange Reinigungsarbeiten und tagelanger Arrest.


Oft wurde die ganze Gruppe bestraft, wenn ein Jugendlicher die Hausordnung verletzte oder im Sport oder bei der Arbeit nicht die geforderten Leistungen erfüllte. Dies wiederum führte zur „Selbsterziehung“ der Jugendlichen untereinander, nicht selten wurden besonders nachts Einzelne verprügelt und gequält, ohne dass die für die Aufsicht verantwortlichen Erwachsenen einschritten.

SurmbahnSturmbahn Hof Jungen


Schlafzellen
Gruppenbereich Schlafzellen
Vergitterter Treppenaufgang
Vergitterter Treppenaufgang

Auch kam es immer wieder zu gewalttätigen Übergriffen seitens der Erzieher. Nach Aussagen von Zeitzeugen erfolgten Schläge mit der Faust, dem Gummiknüppel und dem Schlüsselbund noch bis zum Herbst 1989. Viele der jungen Menschen hielten den permanenten Druck nicht aus, verletzten sich selbst, schluckten Schrauben und Nägel oder versuchten sich umzubringen. Einigen gelang der Suizid leider.
Zu DDR-Zeiten war die Erziehungsanstalt in Torgau ein Tabuthema. Jugendliche, die entlassen wurden, mussten unterschreiben, dass sie nicht über die Vorgänge im Geschlossenen Jugendwerkhof sprachen; außerdem wurden sie gezwungen auch nach der Entlassung Berichte über ihre weitere Entwicklung an den Direktor zu schreiben. Bei „Verfehlungen“ drohte ihnen eine erneute Einweisung nach Torgau. Nach dem Rücktritt von Margot Honecker und der DDR-Regierung am 7. November 1989 begann die Auflösung des Geschlossenen Jugendwerkhofs. Am 17. November 1989 fand die letzte Entlassung statt.

Die Zellentrakte wurden 1996 von einem privaten Investor zu Wohnungen umgebaut. Heute befindet sich in dem Gebäude eine Erinnerungs- und Begegnungsstätte – als Anlaufpunkt für die Betroffenen, aber auch um mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Zeitzeugengesprächen die Öffentlichkeit über die Geschehnisse der Vergangenheit zu informieren. Viele der ehemaligen Insassen leiden noch heute an posttraumatischen Belastungsstörungen. „Weggesperrt“ stützt sich in erster Linie auf Berichte von Zeitzeugen und soll dazu beitragen, dass nicht vergessen wird, was dort geschah.


Weitere Informationen zum Geschlossenen Jugendwerkhof unter: jugendwerkhof-torgau.de
(Bildrechte DIZ Torgau)

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