Am Anfang hatte ich eine Grundidee: die Mutter von Anja wird verhaftet -
was passiert mit Anja?
Während der Recherche bin ich dann auf das Thema GJWH Torgau gestoßen.
Ich muss sagen, dass mich diese Thematik sofort "umgeworfen" und gefesselt hat,
eigentlich ist das bis heute so. Was dort passierte, fand ich einfach unglaublich und schlimm - und so musste ich
einfach darüber schreiben.
Wenn man so will, waren meine Kinder die Auslöser. Sie sind beide im Teenager- Alter und erfahren in der Schule kaum etwas über die DDR. Mir war es wichtig zu zeigen, was in einer Diktatur passieren kann, wenn man sich nicht anpasst.
Ja. Ich habe mit Menschen gesprochen, die als Jugendliche "weggesperrt" wurden, in Jugendwerkhöfe und auch im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Nach ihren Berichten ist dann die Story entstanden. Also Anja und ihre Geschichte ist zwar fiktiv, aber die einzelen Episoden sind tatsächlich so passiert.
Wenn Du bei Google Jugendwerkhof Torgau eingibst und dann auf Bilder-Suche gehst, findest Du schon eine ganze Menge. Z.B. hier: jugendwerkhof-torgau.de
Im Geschlossenen Jugendwerkhof Torgau waren über 4 000 Jugendliche. In den
sogenannten offenen Jugendwerkhöfen noch viel viel mehr.
1990 gab es noch 32 Jugendwerkhöfe in der DDR. Im Schnitt gab es so 200
Jugendliche in einem Jugendwerkhof.
Der Geschlossene Jugendwerkhof Torgau wurde im November 1989 geschlossen. Das lag
daran, dass durch die friedliche Revolution 1989 die DDR-Regierung zurücktrat.
Am 7. November trat die Bildungsministerin Margot Honecker, die Frau von Erich
Honecker, zurück. An diesem Tag kam die Anweisung aus dem Bildungsministerium
der DDR den Jugendwerkhof aufzulösen.
Viele hatten auch nach der Wende erhebliche Probleme. Sie wurden ja schlecht ausgebildet, durften nur bis zur 8. Klasse die Schule besuchen, und außerdem gab es nur eine Teilfacharbeiterausbildung. D. h. nach der Entlassung konnten die Jugendlichen nur Hilfsjobs ausüben. Bis heute haben viele unter dem, was sie erlebt haben, zu leiden. Z. B. leiden viele unter sogenannten Posttraumatischen Belastungsstörungen. Das sind Alpträume, Schlaflosigkeit, Depressionen, Selbstverletzungen usw. Neben psychischen Beeinträchtigungen gibt es auch physische. Also viele sind schwerbeschädigt und arbeitsunfähig, manche bekommen Frührente, obwohl sie noch relativ jung sind.
Es war nicht bekannt. Der Geschlossene Jugendwerkhof war ein absolutes Tabuthema. Die Jugendlichen mussten bei Entlassung eine Schweigeverpflichtung unterschreiben. Ihnen wurde gedroht, dass sie wieder eingewiesen werden, wenn sie über die Zustände erzählen.
Auch in der heutigen Bundesrepublik wusste man kaum etwas über Torgau und die Erziehung dort. Indessen können ehemaligen Insassen sich rehabilitieren lassen. D. h. sie müssen nachweisen, dass sie in Torgau gewesen sind, und können einen Antrag stellen. Sie erhalten eine einmalige Entschädigung in Höhe von ca. 300,- € pro Monat. Meist waren die Jugendlichen aber "nur" 3 bis 6 Monate in Torgau. Sie bekommen also sehr wenig Geld dafür, dass ihr Leben für immer beeinträchtigt ist. Zum Buch erhalte ich viele Briefe, Mails, Anrufe... Viele zeigen sich entsetzt und wütend über das, was in Torgau geschehen ist.
Es gab sehr viele positive Kritiken in der Presse. Da findet man auch einiges im Internet bzw. auf meiner Website. Negative Kritiken gab es eigentlich bisher nicht. Manchmal nur werde ich gefragt, warum ich nicht "über die positiven Seiten der DDR" schreibe. Das ist aber die Ausnahme.
"Weggesperrt" wurde mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendbücher ausgezeichnet. Auch wählte eine Jury aus über 30 Kritikern aus Deutschland, der Schweiz und Österreich das Buch zu einem der "sieben besten Kinder- und Jugendbücher" (Deutschlandfunk/Focus). Außerdem erhielt es den "LesePeter". Darüber habe ich mich natürlich sehr gefreut.
Die Recherche war schon auch sehr anstrengend. Ich habe ja sehr viele Interviews mit Menschen geführt, die sehr schlimme Dinge erlebt haben. Das hat sie und mich manchmal ganz schön geschafft, aber es war auch sehr interessant. Heute bin ich mit einigen, die ich während der Recherche kennengelernt habe, befreundet.
Zu Beginn der Recherche bin ich nach Torgau gefahren, da gibt es ja heute eine Gedenkstätte. Dort wurden mir Kontakte zu Zeitzeugen verschafft. Andere wieder habe ich auf anderem Weg gefunden, z. B. durch persönliche Kontakte.
Die Fragen stellte Julia U.